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Hamburg (Print Vermischtes)

Frischzellenkur für das Internet

Wissenschaftler aus Hamburg wollen das Netz mobiler und anwenderfreundlicher gestalten - In den nächsten 18 Monaten gehen die Adressen aus

Das Internet ist in die Jahre gekommen. Seit mehr als 30 Jahren verbindet es Millionen von Programmen, die in allen Winkeln der Welt gewachsen sind. Die Programme kommunizieren stets über das gemeinsame Internet Protocol (IP). Doch es wird immer schwieriger, das erforderliche Wachstum des Internets zu verwirklichen und neue, dringend benötigte Dienste zu etablieren. Als Zugang zum weltweiten Datenaustausch dient den Programmierern gleichsam als Nachfolger der einstigen Telefonwahl eine Kommunikationsschnittstelle, die das Internet-Protokoll fest mit den jeweiligen Anwendungen verknüpft. Die Vielzahl der neuen Aufgaben, Protokolle und Dienste kann damit aber immer schwieriger in zuverlässig funktionierende Programme verwandelt werden.

Einfach gesagt: Es hakt in der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Anbietern im Internet. Die Applikationen sind komplizierter und damit fehleranfälliger geworden. Hinzu kommt, dass voraussichtlich innerhalb der nächsten 18 Monate dem heutigen Internet die Adressen ausgehen. Das ist, als gäbe es keine neuen Telefonnummern mehr. Eine Frischzellenkur für das Netz, das in den 70er-Jahren entwickelt wurde, ist also dringend notwendig. Die Bemühungen laufen auf internationaler Ebene - in den USA mit dem Projekt "GENI", die Europäische Union vorsucht unter dem Projektnamen "FIRE" neue Impulse ins Netz zu bringen, und in Deutschland wird unter dem Namen "G-Lab" eine herausragende Experimentierplattform geschaffen. Das berichtet Professor Thomas C. Schmidt von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Er leitet jetzt ein Projekt zur Erforschung eines mobilen und servicefreundlichen Internets, das für alle künftigen Anwender gestaltet werden soll. "Die Entwicklung des Netzes, als dessen Väter die Amerikaner Vinton Cerf und Robert Kahn gelten, war eine immense Abstraktionsleistung", sagt Schmidt. Aber es sei sehr schwierig, an dieser "Internet-Schicht" etwas zu verändern. Dies zeigten auch die jahrelangen, mäßig erfolgreichen Anstrengungen, ein neues "Internet Protocol Version 6 (IPv6)" einzuführen.

"Man muss sich das Netz als eine Art Klettverschluss vorstellen, der zwischen Kabeln und Übertragungsgeräten auf der einen Seite und den Anwendungen wie zum Beispiel einem Browser auf der anderen Seite sitzt. Beide Seiten müssen ineinandergreifen", erklärt Schmidt. Und beide Seiten müssten gleichzeitig verändert werden, wenn ein neuer Klettverschluss angebracht werden soll. Eine Aufgabe, die wegen der Größe des internationalen Netzes und seiner Nutzer praktisch nicht lösbar sei, denn wer kann schon bei allen Anbietern und Nutzern, bei Programmen und Geräten auf einen Schlag den Hebel umlegen? Das habe zu einem immensen Innovationsstau geführt.

Also gehe man daran, den Klettverschluss an den Seiten so zu erweitern, dass mit mehreren solcher Verschlüsse gleichzeitig kommuniziert werden kann. Das sei vor allem auch im Hinblick auf die Anforderungen neuer Dienste im Internet notwendig. "Wir wollen das Konzept am Beispiel zuverlässig funktionierender Gruppenkommunikation (Multicast) vorführen", erläutert Schmidt. Dafür nutzen die Experten im Rahmen des G-Labs eine experimentelle Ebene des Netzes, wo sie die neue Architektur nicht nur entwerfen, sondern auch testen können. Dieses Projekt folgt aus einer Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), das mehrere Gruppen mit insgesamt rund zwölf Millionen Euro fördert.

Schmidt baut in Hamburg gegenwärtig ein Team auf, das an der besseren Verknüpfung der unterschiedlichen Dienste arbeiten wird. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt. Die Technologie, an der das Team arbeiten wird, heißt HAMcast. Der Name steht für Hybrid Adaptive Mobile Multicast. Das Projekt soll exemplarisch zeigen, wie sich neue Dienste servicefreundlich in der Internet-Architektur etablieren können. Danach würden die Nutzer nicht länger spezielle Zugangsprogramme für ausgewählte Dienste benötigen, die sich mit den Programmen anderer Dienste mehr oder weniger gut verbinden lassen, sondern die Computer werden mit zusätzlicher Intelligenz ausgestattet, mit der sie die unterschiedlichen Dienste von sich aus erkennen können.

"Wir möchten mit unserer Forschung den Innovationsstau unterbrechen, indem wir die PCs und andere Endgeräte intelligenter an das globale Computernetz ankoppeln", berichtet Schmidt. Sogenannte Peer-to-Peer Techniken, mit denen Nutzer bislang nur in geschlossenen Anwendungen wie Skype kommunizieren können, sollen dann genauso zum Standarddienst werden wie mobile Vermittlungsverfahren. Zusammen mit Partnern, darunter ein Internet-Service-Provider und Deutschlands zweitgrößter Peering Point BCIX, wollen die Hamburger zeigen, wie sich der Gruppenkommunikationsdienst Multicast für alle Anwender öffnen lässt. Kurz gesagt: Es wird ein neuer Dienst geschaffen, der mit allen anderen kommunizieren kann. Denn damit würde sich die Chance bieten, Informationen im Netz schnell und preiswert zwischen den Programmen zu teilen. Eine Entwicklung, die neuen Diensten wie dem Internet-Fernsehen und Online-Spielen neuen Schub geben würde. Darüber hinaus wäre es ein großer Nutzen für Konferenzsysteme in Wirtschaft, Wissenschaft und Medizin oder für den Katastrophenschutz zur Gefahrenabwehr wie zur Organisation von Vorbeugung. HAMcast wird in der nationalen Initiative G-Lab vom BMBF gefördert.

Thomas C. Schmidt ist seit 2004 an der HAW in der Fakultät für Technik und Informatik verantwortlich für den Bereich Telematik und Verteilte Systeme. Der Berliner, der an der Freien Universität neben Mathematik und Physik auch deutsche Literatur studierte, pendelt zwischen der Hauptstadt und Hamburg. An der Elbe ist er Leiter der Forschungsgruppe Internet Technologies (Inet), seit 2007 vertritt er darüber hinaus als Gastprofessor an der britischen Universität Reading den Bereich Breitband und Multimedia Netzwerke. Als erster Forschungspartner des HAMcast-Projekts steht Doktorand Matthias Wählisch bereits fest.

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